Ein Artikel aus der Rhein-Neckar-Zeitung
Frühere Polizeibeamtin erklärt Senioren, wie Selbstbewusstsein als Mittel der Selbstbehauptung funktioniert
Von Frederik Pauli – Rhein-Neckar-Zeitung vom 17.4.2025
Weinheim. Von Aussagen wie ,,Werdet zur Furie!“ bis hin zu gespielten Auseinandersetzungen mit Tätern“: Selbstbehauptungskurse für Senioren verfolgen vor allem ein Ziel: Die Angst zu nehmen, bevor sie überhaupt entstehen kann. Hintergrund solcher Kurse ist nicht zwingend steigende Kriminalität gegenüber älteren Generationen. Es geht vielmehr darum, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu verdeutlichen, dass sie nicht hilflos sind.

Bild: RNZ – Dorn
Patricia Wickert (62) leitet einen solchen Kurs. Die pensionierte Kriminalbeamtin war zunächst im Ermittlungsdienst tätig, ehe sie in den Präventionsbereich wechselte. Heute ist sie Leiterin der Außenstelle des Weißen Rings im Rhein-Neckar-Kreis und wirkt bei einer Vielzahl von Projekten mit. Ihr Fokus liege dabei vor allem auf Kursen für die ältere Generation. Sie ist der Ansicht, es gebe schon viele Angebote für die jüngeren Generationen – womit sie sicherlich nicht Unrecht hat.
In Weinheim hat sich jüngst auf Einladung von Stadt und AWO eine Gruppe von zehn Personen im Alter von sechzig bis Ende siebzig zu drei Sitzungen getroffen – mit einem bunten Programm aus theoretischen aber auch interaktiven Übungen. Das zweite Treffen findet im Seminarraum der Volksbank Kurpfalz an einem Mittwoch statt. Am Anfang der Sitzung macht Wickert deutlich, dass der Kurs als Fahrplan zum individuellen Schutz dient. Neben den praktischen Einheiten legt sie Wert darauf, die Wahrnehmung und das Denken der Teilnehmenden zu fördern. Nach kurzer Wiederholung der vorherigen Sitzung beginnt die Gruppe mit einer Übung zum Thema Täterbeschreibung.
Hierbei zeigt sich, dass alle unterschiedliche Angaben machen. Dies sei aber kein Problem, sagt sie. Wichtig sei immer, die persönliche Wahrnehmung der Polizei gegenüber mitzuteilen. Denn vor allem im Alter stellt die Beschreibung eines Täters eine Herausforderung dar. Das liege an der schwindenden Wahrnehmung, die das Bemerken kleinster Wiedererkennungsmerkmale einschränkt. Dies lasse sich aber trainieren.
Hausaufgaben gehören dazu
Im Verlauf des Kurses gibt Wickert den Teilnehmern eine Hausaufgabe. Sie sollen versuchen, bestimmte Gewohnheiten abzusetzen. Statt des üblichen Wegs zum Bäcker solle ein anderer gewählt werden, oder statt der gewohnten auch mal die andere Hand fürs Zähneputzen zum Einsatz kommen. Dies trainiere das Gehirn, das mit den Jahren mehr und mehr Energie einspart.
Danach wird es interaktiv: Nachdem die Teilnehmenden durch das Zuwerfen von Bällen und das gleichzeitige Rufen der Namen Kommunikation und Aufmerksamkeit eingeübt haben, geht es zur Sache. „Ich kann das nicht“, sagte eine Kursteilnehmerin und bestätigt einen Punkt, den Wickert am Anfang der Sitzung angesprochen hat. Sie meint, es sei eher das fehlende Selbstbewusstsein von älteren Menschen als deren fehlende Kraft oder Erfahrung, die sie zu Opfern von Straftaten werden lassen. Bei der Ũbung stellt Wickert, „bewaffnet“ mit zwei Schlagpolstern, eine Bedrohung für die Senioren nach. Diese gilt es, mit der eigenen Kraft und Stimme abzuwehren. „Hau ab!“, „Lassen Sie mich in Ruhe!“ oder „Hilfe, gehen Sie fort!“, rufen die Kursteilnehmer bei dem Versuch, die ‚Angreiferin‘ von sich wegzudrängen. Ziel sollte es immer sein, Aufmerksamkeit zu erzeugen.
Auch in Momenten, in denen andere Menschen keine aktive Gefahr, sondern eher ein mulmiges Bauchgefühl erzeugen, hilft es, Öffentlichkeit zu schaffen. So sei es absolut richtig, nach der Uhrzeit zu fragen, sollte man auf eine Gruppe von grimmigen Personen zulaufen, die sich nicht umgehen lässt. Die meisten Begegnungen könne man positiv auflösen, und eine selbstbewusste Ausstrahlung sei dabei eine große Hilfe, erklärt Wickert. Aber auch ein Personenalarm oder eine Trillerpfeife können in solchen Momenten helfen.
Nach intensiven zweieinhalb Stunden neigt sich die Sitzung dem Ende zu. Die Senioren sind sichtlich glücklich über die Möglichkeit, an Kursen wie diesen teilnehmen zu können. Dies spiegelt ebenfalls die Ansichten der Kursleiterin wider: Wickert ist der Auffassung, es müsse mehr für Opfer von Straftaten und damit auch für Senioren getan werden. Dabei betont sie allerdings, dass die Gesellschaft nicht krimineller und gleichzeitig gefährlicher für Senioren geworden sei. Vielmehr seien Bedrohungen stärker an die Öffentlichkeit geraten und somit aktueller denn je