Knirpse werden zu Bücherwürmern

 

Lesebegleitung: Ehrenamtliche Senioren helfen Grundschülern im Einzeltraining.
Projekt wird wegen hoher Nachfrage ausgeweitet

Knirpse werden zu Bücherwürmern


Werner Schäfer, Angelika Stiegler und Manuela Hornef (von links) sind von Anfang an beim Lesebegleiter-Projekt dabei.
Und weil dieses so viel Zuspruch bei Knirpsen und Lehrern findet, wird es jetzt ausgeweitet.

Weinheim. Seit einem Jahr helfen Senioren Knirpsen der Dietrich-Bonhoeffer-Schule dabei, zu Bücherwürmern zu werden. Dafür besuchen die 17 Lesebegleiter regelmäßig Kinder der DBS-Grundschule in ihren Klassen, um mit ihnen zu üben. Das Einzeltraining kommt in Zeiten sinkender Lesekompetenz nicht nur den Schülern zugute. Auch die Lehrer freuen sich über die Förderung und Entlastung. Schulleiterin Birgit Schmahl und ihr Lehrer-Team sind sich einig: Die 17 Lesepaten leisten in den Grundschulklassen hervorragende Arbeit. Um eine erste Bilanz zu ziehen, wollten die Mitarbeiter des Stadtseniorenrates (SSR) nach einem Jahr wissen, was die Beteiligten berichten. Sie haben die Stimmen von Kindern eingefangen und nach den Bewertungen der Begleiter gefragt. Tim und Marie, beide in der vierten Klasse, sowie Moritz und Rathikka aus der zweiten Klasse haben gerne erzählt, was ihnen am Projekt gefällt.

Rathikka: Wenn wir bei den Lesebegleitern sind, kommen wir viel öfter dran, weil ja in der Klasse viele Kinder sind, und beim Lesebegleiter dürfen wir mit ihm alleine lesen. Und jeder strengt sich richtig an. Sie sind auch alle total nett. Wir dürfen bei den Lesebegleitern auch mal was von uns erzählen. Was wir so daheim machen und was uns gefällt und welche Hobbys wir haben. Die Lesebegleiter erzählen dann auch schon mal was über sich.
Tim: Mit den Lesebegleitern lesen bringt uns richtig was, weil wir viel mehr zum Lesen kommen und weil der Lesebegleiter sich immer um einen einzigen Schüler kümmern kann. Und auch die, die schon gut lesen können, lernen noch was dazu. Wenn sie dann mal nicht da sind, sind wir richtig enttäuscht.
Moritz: Man hat die Lesebegleiter für sich alleine, und die haben viel Zeit zum Zuhören. Es macht richtig Spaß. Ich finde auch gut, dass die Lesebegleiter immer verbessern, wenn man noch nicht so gut ist. Dann kann man die Texte danach viel besser vorlesen, auch wenn man wieder in der ganzen Klasse ist.
Marie: Unsere Lesebegleiter sind auch geduldig und können auch schwierige Wörter mit einem Kind alleine üben. Und Kindern, die nicht so gut Deutsch können, kann der Lesebegleiter richtig viel helfen. Die Lesebegleiter sind total nett, und mit denen kann man zwischendrin auch mal über was anderes sprechen. Sie wissen auch ganz viel. Und sie hören auch immer zu, wenn man was erzählen will.

Angelika Stiegler, Manuela Hornef und Werner Schäfer sind schon von Anfang an jeden Dienstag als begeisterte und erfolgreiche Lesebegleiter mit dabei. Sie sind unter den 17 Lesebegleitern die alten Hasen, wie man so sagt. Wie alle anderen Lesebegleiter sind sie im Ruhestand und sehen ihre Tätigkeit als sinnvolle Ergänzung zu ihrer freien Zeit an, so berichtet Werner Schäfer. Insofern profitieren Kinder und Senioren gleichermaßen voneinander. Der Fokus des Projektes liegt zwar auf der Verbesserung und Förderung der Lesefähigkeit. Es hat sich zwischen Begleitern und Schülern aber inzwischen auch ein sehr persönliches, vertrauensvolles Verhältnis entwickelt. Das trage wesentlich zur Motivation der Kinder bei.

Ralf Fabian hat sich im letzten Sommer dem Lesebegleiter-Team angeschlossen.
Der SSR hat ihn stellvertretend für die anderen Lesebegleiter zum Projekt befragt.

Der pensionierte Lehrer Ralf Fabian spricht von der Wichtigkeit männlicher Bezugspersonen für Grundschüler.

Herr Fabian, wie sind Sie auf die Aktion der Lesebegleitung aufmerksam geworden?

Ralf Fabian: Der SSR suchte über die Zeitung Seniorinnen und Senioren, die sich als Lesebegleiter an der DBS-Grundschule zur Verfügung stellen. Das hat mein Interesse geweckt.

Warum hat Sie gerade das Lesebegleiter-Projekt angesprochen?

Fabian: Als Rentner war ich in meiner neuen Lebensphase angekommen und hatte als ehemaliger Lehrer den Wunsch, weiterhin im pädagogischen Bereich aktiv zu sein.

Sind pädagogische Vorkenntnisse für den Lesebegleiter erforderlich?

Fabian: Nicht unbedingt. Es ist aber auf jeden Fall wichtig, Geduld aufzubringen und ein gutes Maß an Einfühlsamkeit zu haben. Die Lesebegleiter sollten sich natürlich auch in das Denken und die Gefühlswelt von Kindern hineinversetzen können.

Wie muss man sich die Lesebegleitung organisatorisch vorstellen?

Fabian: Jeweils ein Kind verlässt für circa 15 Minuten die Lesestunde im Klassenverband und kommt zum Begleiter. Die Zeit wird dann intensiv zum Üben genutzt. Es macht Spaß, den Kindern in Einzelzuwendung zur Verfügung zu stehen, damit sie ihr Lese- und Textverständnis üben und vertiefen können. Und es macht auch viel Freude, zu sehen, wie die Kinder begeistert dabei sind und sich nach und nach verbessern. Dabei wird kein Kind stigmatisiert, da sowohl Kinder, die schon flüssig und gut lesen, als auch solche mit Förderbedarf zu den Lesebegleitern kommen dürfen.

Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit den anderen Lesebegleitern und den Lehrern bewerten?

Fabian: Das Verhältnis untereinander ist sehr angenehm, so stelle ich das in meiner Donnerstagsgruppe fest. Wir tauschen uns gegenseitig aus, was hilfreich und bereichernd ist. Die Lehrer sind alle sehr engagiert und auch dankbar für unsere Arbeit.

Wie gestaltet sich das Verhältnis der Lesebegleiter zu den einzelnen Kindern?

Fabian: Es ist feststellbar, dass die einzelnen Kinder sich riesig freuen, wenn die Lesebegleiter an der Schule sind. Man spricht mit ihnen auch mal über Familie, Freunde, Hobbys und so weiter, sodass inzwischen richtiggehend persönliche Beziehungen gewachsen sind mit viel Vertrauen. Auffallend ist übrigens, dass gerade die Jungs gerne mal einen männlichen Lesebegleiter als Bezugsperson haben möchten.

Das hat meiner Meinung nach damit zu tun, dass an Grundschulen hauptsächlich weibliche Lehrkräfte tätig sind. Insofern freuen sich die Jungs häufig besonders auf eine männliche Bezugsperson.

Gehen Sie als Lesebegleiter die Verpflichtung ein, zu den vereinbarten Zeiten immer da sein zu müssen?

Fabian: Nein, das ist nicht der Fall. Die meisten von uns sind zwar sehr regelmäßig anwesend, es macht uns allen ja Spaß. Es ist aber überhaupt kein Problem, wenn man wegen Urlaub, privaten Terminen, Krankheit oder dergleichen mal nicht kommen kann. Meistens sind sowieso mehrere Lesebegleiter gleichzeitig anwesend.

Was ist Ihr Fazit zum Lesebegleiter-Projekt?

Fabian: Es war eine tolle Idee, die der Stadtseniorenrat umgesetzt hat, und ich kann jedem Ruheständler empfehlen, sich für eine Lesetätigkeit zur Verfügung zu stellen, besonders auch den männlichen Ruheständlern. Es macht uns allen ausgesprochen viel Freude und bringt, soweit ich das bisher erfahren habe, vor allem auch die Kinder weiter.

Ein neues Lesebegleiter-Projekt hat nun an der Zweiburgen-Grundschule begonnen. Interessierte Senioren können sich unter Telefon 06201 / 184390 beim Stadtseniorenrat Weinheim melden.

Bilder: SSR